"Diese Blumen bleiben für immer bei dir" 

- Sasha 


Das Mädchen auf dem Foto ist Sascha, meine Nichte und sie ist 3 Jahre alt. Sie ist als eine von wenigen aus meiner Familie zu diesem Zeitpunkt hier in Hamburg. So gut wie keine Person in meiner Familie in der Ukraine möchte das Land verlassen.

Meinem Onkel und meiner Tante wurden, wie jedem aus dem Dorf, die Tiere erschossen. Eine Cousine verlor ihre besten Freunde und ihre erste Liebe im Krieg. Von einer Tante habe ich seit Wochen nichts mehr gehört. Ich habe Cousins und Bekannte, die kämpfen oder irgendwo feststecken. Glücklicherweise ist (noch) keiner aus meiner direkten Familie gestorben oder schwer verletzt. Trotz alle dem: sie möchten nicht weg! Sie sehen nicht ein wegzulaufen, nur weil irgendwer meint in ihr Land einmarschieren.

Meine Cousine Valja (Valentina) hat sich entschieden, als ihre Nachbarschaft in Kjiv auch bombardiert wurde, aber dann doch zu uns mit ihrer Tochter Sascha nach Deutschland zu kommen. Ihr Mann darf das Land nicht verlassen.

Sofort organisierten wir mithilfe freiwilliger Helfer eine reibungslose Durchfahrt von der ukrainisch-polnischen Grenze nach Berlin. Von dort aus holten wir sie ab. Die Kleine hat die Fahrt brav und wacker durchgestanden. Die Lkw-Lichter auf der Gegenspur machten ihr bloß ein wenig Angst. „Mama, da fliegen Raketen“, flüsterte sie bloß im Auto und augenblicklich sank uns bei diesen Worten das Herz in die Hose. Und dann als wir bei meinen Eltern ankamen, fing sie an, bitter zu weinen. Sie verstand schnell: Es ist kein bloßer Besuch bei Verwandten.

„Ich möchte nach Hause“, schrie sie verzweifelt die Mutter an. Wir bemühten uns die nächsten Tage ihnen es so schön wie möglich zu gestalten. Sie kannte uns nämlich auch alle nicht, wir waren ihr fremd. Doch schnell begriff sie, wir sind ihre Freunde. Ein paar Tage später, mit den Armen in der Luft, lief sie glücklich in der Wohnung und rief ungefähr hundertmal: „Das ist meine Familie!“

Nun ist sie 3 Monate hier und hat sich hier an Deutschland und an uns als Familie gewöhnt. Wir spielen schön, sie hat sich mit meinen anderen Nichten angefreundet und sie bringt alle mit ihrem herzlichen Lachen zum Schmelzen. Dieses Wochenende fährt sie aber wieder zurück.

Mir schmerzt es, Valja und Sascha wieder gehen zu lassen, aber ich kann nicht für die beiden entscheiden. Valja drängt es zurück zu ihrer Familie, zu ihrem Mann, zum gewohnten Leben.

Sascha wurde im Studio meiner Freundin Kate fotografiert. Valja interessiert sich für Fotografie, da passte es, dass Kate das hauptberuflich ausübt. Im Studio entstanden die Fotos spontan. Es wurde mit verschiedenen Kleidern, Hintergründen, Einstellungen, Lichtsituationen, Perspektiven und Konstellationen gespielt. Die Kleine merkte nicht einmal, dass es ein Shooting war, so sehr hat es ihr Spaß gemacht, dabei zu sein.

Sascha malte selbst auf eines der Bilder bisschen herum und schrieb sogar ihren Namen! Als stolzer Onkel möchte ich noch nebenbei erwähnen, dass sie nicht nur super einen Stift halten, sondern mehrere Lieder und Gedichte auswendig vortragen kann.
Auf der Wiese vor der Terrasse meiner Eltern spielten anschließend Kate, Sascha und ich gemeinsam. Sie pflückte Gänseblümchen und verwehte Pusteblumen, drückte sie dann Kate in die Hände und sagte: „Diese Blumen bleiben für immer bei dir.“

Wir wünschen den beiden und allen Menschen, die sich im Krieg befinden, egal in welchem Land, Frieden!

Temur-Schah Mehr