the distance within


Schmerzen beim penetrativen Geschlechtsverkehr sind ein Thema, über das nur selten offen gesprochen wird. Dass weltweit Millionen von Menschen unter Vaginismus leiden - eine schmerzhaften Diagnose, die nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Wohlbefinden verheerend beeinträchtigen kann -, bleibt in unserer Gesellschaft oft verborgen.

Vaginismus, eine oft verkannte und stigmatisierte Krankheit, ist eine teilweise chronische Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur, die Intimität schmerzhaft oder sogar unmÖglich machen kann. Das Einführen von Tampons, Fingern oder der Besuch beim Gynökologen kann bei den Betroffenen Ängste und Schmerzen auslösen. Vaginismus kann sowohl psychologische als auch psychische Ursachen haben und tritt häufig in der Jugend oder im Laufe des Lebens auf. Die damit verbundenen Ängste und der Leidensdruck können überwältigend sein, und oft fühlen sich die Betroffenen mit ihrem Problem allein gelassen. In unserer Gesellschaft wird immer noch viel zu wenig über Vaginismus gesprochen, eine Diagnose, die oft im Verborgenen bleibt. 

"the distance within" setzt sich einfühlsam und symbolisch mit verschiedenen Aspekten des Vaginismus auseinander. Es gibt uns einen Einblick in die Erfahrungen und Emotionen der Betroffenen und macht sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Barrieren, die dieses Thema umgeben, möchte Kate Kuklinski durchbrechen und eine Plattform schaffen, auf der Betroffene, Angehörige und die Gesellschaft insgesamt mehr Verständnis, Unterstützung und Offenheit für dieses wichtige Thema entwickeln können. Es ist ein Schritt hin zu einer offeneren und inklusiveren Gesellschaft, in der Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung frei über ihre Gesundheit sprechen können. Sie ist da, um zu unterstützen, zu ermutigen und gemeinsam Bewusstsein zu schaffen und Message zu spreaden: "Du bist nicht allein im Kampf gegen Vaginismus.“


2023 - 2024

 

 



Vaginismus ist eine unkontrollierte Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur. Es handelt sich um eine sexuelle Funktionsstörung, die in primäre und sekundäre Formen unterteilt werden kann. Primärer Vaginismus tritt auf, wenn die Betroffenen noch nie in der Lage waren, etwas in die Vagina einzuführen, während sekundärer Vaginismus durch bestimmte Auslöser wie Angst, Depression oder traumatische Erlebnisse verursacht werden kann.

 

Als Pia 12 Jahre alt war, bemerkte sie bei ihrer ersten Menstruation, dass sie keine Tampons benutzen konnte. Damals dachte sie sich nichts dabei, heute weiß sie, dass sie den primären Vaginismus hat. Sie vermutet, dass ihr Aufwachsen in der Kirche und in einem sehr religiösen, christlichen Umfeld der Auslöser war.

Mit Erschrecken kann Pia sagen, dass die Besuche bei Gynäkolog*innen eine der schlimmsten Erfahrungen in Bezug auf Vaginismus waren, man sollte meinen, dass dies ein sicherer Ort ist, an dem Hilfe auf einen wartet, aber viele waren übergriffig und ignorant, wenn es darum ging, mit ihrem Leiden umzugehen. Dazu kamen zahlreiche unprofessionelle Bemerkungen, Sprüche wie "Entspann dich einfach!" oder "Trink drei Gläser Rotwein, bevor du Sex haben willst!" waren keine Seltenheit, aber einer blieb besonders im Gedächtnis: 
"Du musst jetzt die Pille nehmen, denn du willst ja nicht für immer in ein jungfräuliches Kloster einziehen."


"Von Anfang an hatte ich Sex, der nie nur auf Penetration ausgerichtet war, weil ich von Beginn an gesagt habe: 'Das fühlt sich jetzt gar nicht gut an, wir lassen es einfach' und das Schöne war, dass ich in der Beziehung, in der ich jetzt bin, auch einfach sagen konnte: 'Ich will das jetzt auch nicht ausprobieren, sondern ich will Sachen machen, die sich gut anfühlen' und dadurch habe ich, glaube ich, ein schönes Bild von Sex an sich, weil es von Anfang an darum ging, was sich für mich gut anfühlt."

 



Wenn die Penetration oder das Einführen von Tampons unmöglich wird und schon der Gedanke an Berührungen im Intimbereich bei den Betroffenen zu Verkrampfungen der Vaginal- und Beckenbodenmuskulatur führt. Manche haben noch nie eine gynäkologische Untersuchung durchführen lassen, oder selbst der Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterkrebs ist schmerzhaft oder unmöglich.

 

 


Amelié, Name geändert, leidet an sekundärem Vaginismus. Auslöser war die panische Angst, schwanger zu werden. Vor vier Jahren hatte Amelié einen Schwangerschaftsabbruch, danach entwickelte ihr Körper eine Art Schutzmechanismus, den Vaginismus, um den eigenen Körper vor ihren Ängsten und einem erneuten Trauma zu schützen. Kopf und Körper sprechen seitdem zwei verschiedene Sprachen.

„Es herrschte eine gewisse Taubheit in mir, meine Depression ist wieder stärker geworden, ich war sehr lange verzweifelt und habe mich zurück gezogen. Das Thema Sex ist auf einmal sehr schwierig geworden, früher hatte ich keine Probleme über das Thema zu reden, heute werde ich oft sehr traurig, wenn ich vom Sexleben anderer höre. Ich vermisse dann meistens mein altes Sexleben, unbeschwert und ohne Schmerzen, pure Lust und ohne Angst. Ich vermisse den uneingeschränkten Sex, ich vermisse Selbstbefriedigung, ich kann eher mit jemand anderes was sexuelles erleben als mit mir selbst. Ich habe eigentlich die Beziehung zu meiner Vulva komplett verloren dadurch. Ich glaube, das war eines der schwersten emotionalen Herausforderungen, all das anzunehmen, dass dies nun meine Realität ist, dass mein Körper nicht mehr wie früher funktioniert und dass es okay ist, dass das meine Realität ist.“

 

 



Kulturell wird Sex oft mit vaginaler Penetration gleichgesetzt, aber viele Menschen, nicht nur die mit Vaginismus, können schmerzhafte oder unmögliche Penetration erleben.Sex ohne Penetration kann ebenso erfüllend sein, und was Sex ist, kann individuell definiert werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht alle Menschen die gleichen sexuellen Erfahrungen suchen oder brauchen und dass es viele Möglichkeiten gibt, Lust und Intimität ohne vaginale Penetration zu erleben.



Verkrampfungen der Beckenboden- und Vaginalmuskulatur können zu einer Verengung oder einem Verschluss des Vaginaleingangs führen und werden häufig durch Angst vor Schmerzen ausgelöst. Diese Verkrampfungen können schon beim Gedanken an Geschlechtsverkehr oder bei intimen Berührungen auftreten, auch wenn die Person Penetration wünscht.

 

Sophie leidet an einer sehr leichten Form von Vaginismus; sie hatte schon immer starke Menstruationsbeschwerden, die während der Monatsblutung zu Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur führten, doch seit der Geburt ihrer Tochter leidet sie auch unter Verkrampfungen beim Geschlechtsverkehr. Penetration ist zwar möglich, aber sie verspürt immer wieder Schmerzen, so dass sie auf längere Sicht immer weniger Lust auf Sex empfindet.


„Es ist nervig, es tut weh, aber weil ich den Luxus habe, dass Magnesium mir ein bisschen mit den Krämpfen hilft, beeinträchtigt es mein Leben nicht wirklich. Ich kann immer noch Sex haben, während ich weiß, dass viele Frauen keinen penetrierenden Sex haben können. Für mich fühlt es sich eher wie ein bitterer Nachgeschmack an. Ich habe jedoch bemerkt, dass ich oft bewusst nicht zu tief in die Thematik eindringe, weshalb ich mittlerweile mit meinem Partner auch weniger Sex habe.“

 

 



Die Vagina ist von Natur aus dehnbar, aber die Enge im unteren Drittel wird oft durch die Spannung des Beckenbodens verursacht, eine Schutzreaktion, ähnlich dem Schließen der Augenlider bei einem Fremdkörper. Diese Reaktion kann jedoch durch Veränderungen im Denken und Erleben überwunden werden, insbesondere wenn Penetration als lustvoll und erregend erlebt wird. Dies erfordert körperliche Lernschritte und eine realistischere Vorstellung vom eigenen Geschlecht und dem des Partners.

 

Damals hat Anni ihre Schmerzen als einen normalen Teil des Geschlechtsverkehrs abgetan, heute weiß sie, dass es Vaginismus war. Die Ursachen für ihr Leiden waren tiefgreifend. Machtmanipulation durch Männer in ihrem Umfeld sowie traumatische Erfahrungen von Missbrauch und Vergewaltigung hatten ihren Vaginismus verstärkt und sie psychisch stark belastet. Anni fühlte sich manipuliert, unsicher und unfähig, sich selbst zu schützen. Die ersten Symptome des Vaginismus traten bei Anni im Alter von 14 Jahren auf, als sie zum ersten Mal gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr mit ihrem damaligen Freund hatte. Die Symptome waren sofort spürbar: Enge, Schmerzen, Brennen und Blutungen. Es fühlte sich an, als würde alles aufreißen. 


In Beziehungen stieß sie oft auf Unverständnis und Frustration, da ihre Partner weiterhin auf Geschlechtsverkehr drängten, obwohl sie keine Lust hatte. 
„Ich bekam immer Panik, wenn es nur ums Küssen ging, weil ich dachte, er würde gleich wieder versuchen, an mein Höschen zu kommen. Während meiner Zeit mit Vaginismus gab es keinen Platz für Sex. Sex hat mir nur Angst und Panik bereitet und hatte absolut keine Priorität in meinem Leben. Es war die Hölle. Ich habe immer geweint, wenn jemand versucht hat einzudringen. Ich hatte Angst und war komplett erstarrt. Ich konnte nichts mehr tun.“ 
Trotz dieser Herausforderungen fand sie schließlich einen Partner, der Verständnis und Geduld zeigte. Dies war ein Wendepunkt in ihrer Reise zur Heilung.

„Seit ich keinen Vaginismus mehr habe, bin ich viel selbstbewusster und meine Libido ist wieder da. Ich weiß jetzt, dass Sex und Intimität Spaß machen können. Ich habe endlich erlebt, dass es auch anders geht und weißt jetzt, was ich nicht mehr will. Früher fühlte ich mich immer sehr klein, besonders wenn es intim wurde. Ich wurde unsicher und mochte mich ehrlich gesagt auch nie im Spiegel ansehen. Ich dachte, meine Vulva funktioniere nicht richtig und sei krank oder kaputt. Erst mit Ende 20 habe ich gelernt, dass dem nicht so ist. Es ist schade, wie viel Zeit ich verschwendet habe, weil ich nicht wusste, wie es besser geht. Mir wurde sehr viel Lebensqualität geraubt.“

 

 



Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind weit verbreitet, werden aber oft aus Scham verschwiegen. Fast jede fünfte Person leidet darunter, aber nur etwa jede dritte spricht von sich aus mit Ärzt*innen darüber, was zu unbehandelten und chronischen Problemen führt. Ein Teufelskreis aus Schmerzen, Ängsten und negativen Erwartungen kann die sexuelle Lust beeinträchtigen und wird oft von anderen gynäkologischen Beschwerden begleitet, was im schlimmsten Fall dazu führt, dass der Unterleib eher mit Schmerz als mit Lust assoziiert wird.

 

 



Dilatatoren können bei der Behandlung von Vaginismus helfen, indem sie die Beckenbodenmuskulatur entspannen und desensibilisieren. Die Anwendung erfolgt schrittweise und der Erfolg hängt von der psychischen Verfassung und einer entspannten Umgebung ab. Betroffene können sich Dilatoren auch vom Gynäkologen verschreiben lassen.

 

 



Bufferringe sind flexible Ringe, die Schutz und Kontrolle beim penetrativen Geschlechtsverkehr bieten, indem sie das Eindringen kontrollieren und Schmerzen verhindern. Sie ermöglichen es, die Tiefe des Eindringens selbst zu bestimmen und sind eine hilfreiche Option für ein schmerzfreies sexuelles Erlebnis.

 

 


AUSGESTELLT // GALERIE23 IM ATELIERHAUS23

DUMMY